Sophia Margarethe Antoinette TISCHBEIN-ROENTGEN
geb. Januar 1761 Hamburg (get. 21.1.1761)
gest. 24.5.1826 Aurich
Malerin, Kopistin, Lehrerin
luth.
(BLO III, Aurich 2001, S. 403 - 405)
Antoinette Tischbein entstammte der bekannten Malerfamilie
Tischbein. Sie war die zweite Tochter Johann Jakob Tischbeins
und Margarethe Lillys, Malerin und Tochter eines Hamburger
Kunsthändlers. Sie wuchs in Lübeck auf und erhielt, der Tradition
der Familie entsprechend, wie alle ihre Geschwister seit frühester
Jugend Unterricht im Malen und Zeichnen. Es ist anzunehmen,
daß ihre Ausbildung von Anfang an auf Stilleben und
Blumenbilder ausgerichtet war, Sujets, die zeitbedingt als passend für eine Malerin
angesehen wurden. Es entstanden jedoch auch Landschaften, ein Genre, für das ihr Vater
berühmt war, und Kopien von Bildern ihres Onkels Johann Heinrich Tischbein d. Ä. Ihr
Wunsch, Künstlerin zu werden, wurde von ihren Eltern, besonders von ihrem Vater
durchgängig gefördert ebenso wie ihr Vorhaben, die Ausbildung eines Tages an einer
Akademie fortzusetzen.
Ihr Elternhaus war weltoffen und ein immer gastfreundlicher Ort für Malerkollegen und junge
Künstler ebenso wie für jeden Gebildeten und Kunstinteressierten, dessen Weg nach
Norddeutschland führte. Antoinette, die nicht nur künstlerisch begabt, sondern auch
wohlbelesen, liebenswürdig und hübsch war, wurde ein zusätzlicher Anziehungspunkt des
Hauses. Erst mit 21 Jahren jedoch war sie bereit, einer Verlobung mit dem aus Neuwied
stammenden Pfarrer Ludwig Roentgen zuzustimmen und damit auf ein Leben als Künstlerin
zu verzichten. Da sie als eine von drei Töchtern nur mit einer kleinen Mitgift rechnen konnte
und auch Roentgen nicht aus einer vermögenden Familie stammte, mußte die Hochzeit
verschoben werden, bis die materielle Grundlage für die Gründung eines Hausstandes
gesichert war.
Der Zeitpunkt schien erreicht, als Roentgen 1783 eine eigene Gemeinde, in Petkum,
zugesprochen wurde. Ende August 1783 brach die junge Frau nach Ostfriesland auf, ein
Land, das für sie ebenso fremd war wie für ihren Verlobten. Am 9. September wurden sie in
Petkum getraut.
Die äußeren Bedingungen des Ehelebens gestalteten sich von Anfang an schwierig. Die
Pfarrei war entgegen der Erwartungen des jungen Ehepaars nur ärmlich ausgestattet, die
Wohnverhältnisse dürftig. Dazu kam, daß Antoinette in einem städtischen Haushalt
aufgewachsen war und, da der Schwerpunkt ihrer Erziehung immer auf der Malerei gelegen
hatte, nicht im geringsten auf die Erfordernisse einer Haushaltung auf dem platten Land
vorbereitet war. Die junge Frau begegnete den Schwierigkeiten mit Entschlossenheit, Mut
und Tatkraft. Sie nutzte ihr Talent, um das Familieneinkommen aufzubessern. Die
Bekanntheit ihres Mannes, gerade in Emder Bürgerkreisen, kombiniert mit dem Namen
Tischbein, brachte ihr Aufträge. Es entstanden Porträts und Stilleben, vor allem Blumen und
tote Vögel.
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Antoanette Tischbein-Roentgen
(Quelle: Bildarchiv der
Ostfriesischen Landschaft)
Seite 2
Der Linderung der materiellen Notlage diente auch die Aufnahme von kleinen Jungen aus
Emder Familien in den Pfarrhaushalt zu Unterricht und Erziehung. Schließlich verlangte das
neue Leben auch äußerlich eine Anpassung an die Verhältnisse. Die städtische Kleidung
verschwand zugunsten der strengen schwarzen Kleider der verheirateten Frauen der
Gegend, mit bedeckten Armen und der schwarzen Haube, die Antoinette trotz der
Einsprüche ihres Mannes bald nur noch trug.
Ihr Eheleben verlief trotz der starken äußeren Beanspruchung harmonisch. Zusätzlich zu
ihren Aufgaben im Haushalt und zum Malen entwickelte Antoinette alle Tugenden einer
protestantischen Pfarrersfrau, stets mitarbeitend und unterstützend. Ihre Unermüdlichkeit
und ihr freundliches Wesen trugen nicht wenig dazu bei, daß Roentgens Ansehen in seiner
sehr schwierigen, wenig aufgeschlossenen Gemeinde wuchs. Vier ihrer insgesamt acht
Kinder kamen in den nächsten Jahren in Petkum zur Welt, drei Jungen und ein Mädchen,
das allerdings nur wenige Wochen nach der Geburt starb.
Eine leichte Verbesserung der prekären finanziellen Situation brachte der Amtswechsel
Roentgens im Januar 1793 nach Esens. In Esens entstand das einzige heute noch bekannte
Gemälde Antoinette Tischbeins, ein Altarbild. Als Roentgen bei einer Visitation 1794 in
Werdum feststellte, daß das dortige Altarbild schadhaft war, scheint er sich für eine
Neugestaltung eingesetzt zu haben. Das Bild, das man bis heute in der Werdumer St.
Nicolai-Kirche bewundern kann, verleugnet seine romantische Tradition nicht, besticht aber
durch die Originalität der Darstellung der Abendmahlsszene und den gekonnten Einsatz
einer eigenwilligen Licht-Schatten-Wirkung.
Das größere Pfarrhaus in Esens erlaubte eine Erhöhung der Zahl der Pensionäre, unter
denen sich bald auch Jungen aus englischen und französischen Familien befanden. Der
häusliche Privatunterricht führte dazu, daß Antoinette ein zweites Talent entdeckte: das des
Erziehens und Unterrichtens. Als die beiden in Esens geborenen Töchter Jeannette (1793)
und Johanne (1797) größer wurden, wurden auf ihren Wunsch hin auch Mädchen ins Haus
aufgenommen, deren Erziehung in Antoinettes Händen lag. Das Esenser Pfarrhaus mit
seiner großen Bibliothek, dem literarisch und politisch interessierten Superintendenten und
seiner gebildeten, als Künstlerin tätigen Frau, wurde der kulturelle Mittelpunkt der kleinen
Stadt, der auch Gäste von auswärts anzog.
Der plötzliche Tod ihres schon jahrelang kränklichen Mannes 1814 ließ Antoinette und die
Töchter unversorgt zurück. Unterstützung kam von Freunden der Familie aus Aurich,
wahrscheinlich Mitglieder der Emder Freimaurerloge, der Roentgen angehört hatte. Sie
boten der Witwe die Leitung einer neuzugründenden Töchterschule an. Antoinette übernahm
1815, mit 53 Jahren, ihre neue Aufgabe als Lehrerin und Leiterin einer privaten
Mädchenschule, ein Amt, das sie noch zehn Jahre lang ausüben sollte. Unterricht gab es
außer in nützlichen Handarbeiten wie Nähen und Stopfen besonders im Sticken, im Malen
und Zeichnen, Verfertigen von Schattenrissen, wie auch in Literatur und Sprachen. Neben
der Mutter unterrichteten auch die Töchter Jeannette und Johanne. Die Schule bestand unter
dem Namen ihrer Leiterin, Antoinette Roentgen, 42 Jahre lang. Sie selbst malte nicht mehr,
vor allem da sie in den letzten neun Jahren mehr und mehr an Rheumatismus in Händen
und Füßen litt, der ihr zuletzt auch das Laufen unmöglich machte. Dennoch verzichtete sie
nicht darauf, ihren zweiten Beruf auszuüben. Sie unterrichtete im Liegen, vom Sofa aus.
Erhaltene Werke: Altarbild (Abendmahlsszene) (St. Nicolai, Werdum).
Nicht erhaltene Werke: Selbstporträt; Porträt Ludwig Roentgens; Landschaften; Stilleben: tote Vögel, Blumen;
Kopien von Gemälden Johann Heinrich Tischbeins d. Ä.
Seite 3
Quellen: StA Hamburg: Taufbuch St. Jacobi, A VII a 19, 21. Januar 1761.
Literatur: DBA I und II; ThB 33, S. 205-206; N a g l e r, Neues Allgemeines Künstlerlexikon, Band 18, 1848;
Lexikon der Frau, Zürich 1954, Band 2; Joachim B u s s e, Internationales Handbuch aller Maler und Bildhauer
des 19. Jahrhunderts, Wiesbaden 1977; Gerd R o k a h r, Roentgen, Ludwig, in: BLO 2, S. 313-316; Johanne R o
e n t g en, Erinnerungen an Ludwig Roentgen, lutherischen Prediger in Petkum und Esens aus den Jahren 1783-
1814, in: Jahrbuch der Ges. für bildende Kunst und vaterländ. Altertümer zu Emden 18, 1913/14, S. 305-357;
Johann H. W. T i s c h b e i n, Aus meinem Leben, Berlin 1956, S. 16-17; [Robert N o a h], „Eine Kirche von
gewaltigem Ausmaßâ, in: Ostfriesland-Magazin, 1991, Nr. 7, S. 45.
Sabine Heißler
Sie ist verheiratet mit Ludwig RÖNTGEN.
Sie haben geheiratet im Jahr 1783, sie war 22 Jahre alt.
Kind(er):
Sophia Margarethe Antoinette Röntgen (auch Roentgen) geb. Tischbein (* 1761 in Hamburg; † 1826 in Aurich) war eine deutsche Malerin.
Röntgen war die Tochter von Johann Jacob Tischbein und dessen Ehefrau Magdalene Gertrud geb. Lilly. Zwar in Hamburg geboren, wuchs sie in Lübeck auf. Seit frühester Jugend erhielt sie Mal- und Zeichenunterricht, dem Zeitgeist entsprechend malte sie aber lediglich Blumen- und Stillleben. Auch wenn sie von Ihrem Vater unterstützt wurde, eine Ausbildung an einer Akademie war ihr nicht vergönnt.
1783 heiratete sie den Pfarrer Ludwig Roentgen, gründete einen eigenen Hausstand in Petkum, und hatte mit ihm acht Kinder. Ihr Mann wurde 1793 nach Esens versetzt, wo er die Stelle eines Konsistorialrates antrat. Sophie malte schon während dieser Zeit, um das Familieneinkommen aufzubessern. Von ihren Werken sind viele verschollen. Um 1795 malte sie allerdings das Altarbild der Werdumer St. Nicolai-Kirche, welches noch vorhanden ist.
1814 starb ihr Ehemann und ließ Ehefrau und Kinder unversorgt zurück. Ein Jahr später ging sie nach Aurich und wurde dort Leiterin einer privaten Mädchenschule.
2016 versucht ein Masterseminar der Kunstwissenschaft an der Universität Kassel Bilder und Informationen über Sophia Röntgen zu sammeln, die dann zu einer Ausstellung im Kloster Haina zusammengetragen werden sollen.
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Ludwig RÖNTGEN |